Benjamin Traub

Benjamin Traub war das vierte Kind der Eheleute Karl Friedrich und Karoline (Lina) Traub und der jüngste Bruder des Mülheimer Künstlers Daniel Traub. Er wurde am 25.11.1914 in Mülheim (Blötterweg) geboren.

Benjamin in Geestemünde ~ 1917

Von 1914 bis 1919 wohnte die Familie in Bremerhaven/Geestemünde (Sanitätsdienst von Karl Friedrich Traub während des Ersten Weltkriegs). Zwischen 1920 und 1923 lebten Traubs in Köln und zogen 1923 wieder nach Mülheim. Bis 1938 wohnten sie in der zweiten Etage des Hauses Auerstraße 59. Hier war Karl Friedrich Traub Prediger der Baptistischen Gemeinde.

Benjamin wurde in Köln eingeschult und besuchte 1923/24 wahrscheinlich die Ev. Volksschule an der Auerstraße. Von 1925 bis 1931 war er Schüler der Oberrealschule, heute Karl-Ziegler-Schule. Er war ein intelligentes und begabtes Kind, spielte sehr gut Klavier, war begeisterter Briefmarkensammler und leidenschaftlicher Schachspieler. Seine besondere Begabung ermöglichte es ihm, eine Schulklasse zu überspringen. Wie seine Geschwister war auch er im Gemeindeleben fest integriert.

 

Benjamin auf einer
Jugendfreizeit (~ 1926)
Benjamin und Walter Traub Schachturnier~1924
Im Garten Auerstraße ~ 1928/29

 

Kurz nach seinem fünfzehnten Geburtstag bekam Benjamin Krampfanfälle. Es zeichnete sich das Krankheitsbild der Jugendschizophrenie ab. Wegen des Krankheitsverlaufs und der Angst der Eltern, Benjamin würde – wie er häufiger angekündigt hatte – aus dem Fenster springen, brachte man ihn am 29.08.1931 in die Heil- und Pflegeanstalt nach Bedburg-Hau. Dort wurde er neun Jahre lang behandelt.

Zwischenzeitlich kam er regelmäßig zu Besuch nach Hause. In dieser Zeit hatte er völlig lichte Stunden und Momente. Die Familie glaubte dann an ein Wunder. Er musizierte mit seinen Geschwistern, unterhielt sich oder spielte mit ihnen. Nach Kriegsbeginn – Bedburg wurde als Lazarett benötigte – verlegte man ihn am 07.03.1940, in einem Transport von 114 Patienten, in die „Zwischenanstalt“ Weilmünster in Hessen. Dort war er bis zum 13.03.1941. Auch hier besuchten ihn seine Geschwister und seine Mutter regelmäßig.

Am 13. März 1941 holten ihn und weitere 64 Patienten die berüchtigten grauen Busse der inzwischen zur Tötungsanstalt umgebauten Heil- und Pflegeanstalt Hadamar ab.



Gemeinnütziger Krankentransport (Gekrat Bus)

Sofort nach Ankunft führte man die Patienten einem Arzt vor, der eine „natürliche Todesursache“ für den Totenschein bestimmte.

Dr. Günther Hennecke, alias Dr. Fleck, bestimmte Benjamins Todesursache, betätigte den Gashebel zur Ermordung der Kranken und unterschrieb den Brief mit der Todesnachricht an die Eltern. Hennecke starb 1943 als Militärarzt in einem U-Boot vor der Küste Irlands

Unmittelbar nach der Todesdiagnose wurde Benjamin mit den anderen Patienten entkleidet und in der Gaskammer im Keller der Anstalt durch Kohlenmonoxyd umgebracht. Sein Leichnam wurde gemeinsam mit dem anderer Patienten in den Krematoriumsöfen der Anstalt verbrannt. Die Krankenakte wurde nach Berlin geschickt und dort vernichtet.

Die ehemalige Gaskammer von Hadamar
Krematoriumsofen
wie er in Hadamar verwendet wurde
Rauchsäule des Krematoriums Hadamar

 

Anfang April 1941 erhielten die Eltern die Nachricht, dass ihr Sohn „plötzlich und unerwartet an einer Grippe mit nachfolgender Hirnhautentzündung“ verstorben sei. Da er an einer „schweren, unheilbaren geistigen Krankheit“ gelitten habe, sollte die Familie seinen Tod „als eine Erlösung auffassen“. Wenig später stellte man der Familie eine Urne zu, die angeblich „Benjamins“ Asche enthielt. In einer kleinen Trauerfeier wurde sie auf dem Dümptener Friedhof beigesetzt An einen „natürlichen Tod“ hat die Familie nie geglaubt. Sein Bruder und seine Mutter hatten Benjamin kurze Zeit vor der Todesnachricht in geistig wachem und gesundheitlich gutem Zustand angetroffen.

Letztes Foto von Benjamin Traub ~1940

Im Rahmen der sog. „T4 Aktion“ wurden zwischen Januar und August 1941 allein in der Gaskammer von Hadamar 10.113 psychisch Kranke durch Kohlenmonoxyd ermordet und im Krematorium der Anstalt verbrannt. Es wurden immer Gruppen von 40-60 Personen in die Gaskammer geschickt. Der Tod durch Kohlenmonoxydgas tritt nach etwa 5-10 Minuten ein. Die Verbrennung der Leichen dauerte jeweils etwa 30-40 Minuten.

Benjamin Traub wurde höchst wahrscheinlich wegen seiner langen Verweildauer in psychiatrischen Kliniken zur Tötung ausgewählt. Er galt als unheilbar.

Aufgrund der öffentlichkeitswirksamen Predigten Graf Galens, des Bischofs von Münster, und Pfarrer Bodelschwingh, die die Tötung von Behinderten und Kranken als Mord angeklagt hatten, ließ Hitler die Gasmorde in den Heilanstalten am 24. August 1941 einstellen.

Nach 1941 wurden geistig Kranke nicht mehr vergast, sondern entweder durch Medikamente oder Verhungern getötet.

In mehreren Prozessen verurteilten unterschiedliche Gerichte medizinisches und administratives Personal der Anstalt Hadamar zu schweren Strafen u. a. mit zwei Todesurteilen. Allerdings verbüßten die Verurteilten diese Strafen nur zum Teil.

Die etwa 100.000 Menschen, die dem NS-Programm „Vernichtung unwerten Lebens“ zum Opfer fielen, sind nach dem Krieg nicht als Verfolgte des NS Regimes anerkannt worden. Entschädigungen wurden infolge dessen nicht gezahlt.

Recherchiert und aufgezeichnet aus Anlass der Verlegung des 100. Stolpersteins in Mülheim an der Ruhr, am 09.November 2010, Auerstraße 59, zum Gedenken an Benjamin Traub, einem Opfer des NS-Regimes.
Quellen: U. George, G. Lilienthal u.a.: Hadamar, Heilstätte, Tötungsanstalt, Therapiezentrum. Diesem Buch sind die Photos Nr. 8-12 sowie die Informationen zur Tötungsanstalt Hadamar entnommen. Das Photo Nr. 3 hat uns Wolfgang Hahn zur Verfügung gestellt. Die anderen Fotos stammen aus dem Privatbesitz der Familie Traub. Die Informationen zum Transport Benjamin Traubs von Bedburg Hau nach Weilmünster, am 07.März 1940 ist dokumentiert in: Ludwig Hermeler: Die Euthanasie und die späte Unschuld der Psychiater. Massenmord. Bedburg-Hau und das Geheimnis rheinischer Widerstandslegenden, Essen 2002, 53/79. Die Informationen zum Transport nach Hadamar entstammen dem Archiv der Gedenkstätte Hadamar. Weitere Informationen zum Patienten Benjamin Traub, seiner Krankenakte usw. verdanken wird dem Archiv des Landschaftsverbands Rheinland.

Alle Autoren- und Veröffentlichungsrechte zum Text Benjamin Traub sowie die Bildrechte an den Fotos aus dem Privatbesitz der Familie Traub
liegen bei Dr. Hartmut Traub, Mülheim an der Ruhr.

Stolperstein für Benjamin Traub, verlegt am 09. November 2010, Mülheim an der Ruhr, Auerstr. 59


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