Die Katholische Kirche und das Zentrum

Nachdem die katholische Kirche und der politische Katholizismus (repräsentiert durch die Zentrumspartei) zunächst als unerbittlicher Gegner des Nationalsozialismus galten, änderte sich die Haltung dahingehend, dass das NS-Regime begrüßt und unterstützt wurde.

Ausschlaggebend dafür war der Abschluss des Konkordates im Juli 1933, das die Kirche zur Loyalität gegenüber dem NS-System und zum Verzicht auf politische Tätigkeit verpflichtete, ihr andererseits aber die Sicherung kirchlich-kultureller Belange garantiert wurde.
Das Konkordat wurde schon wenige Tage nach seinem Abschluss seitens des NS-Staates gebrochen: Entgegen dem Willen der Kirche wurde das Sterilisierungsgesetz (Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses) beschlossen.

Anfang 1934 begann der Angriff auf das Vereins- und Pressewesen der Kirche, das bis 1938/39 total zerschlagen wurde. Angesichts der Nichtbeachtung und Verletzung des beschlossenen Vertrages seitens des NS-Systems begann der individuelle Widerstand einzelner Pfarrer, sowie christlicher Gewerksschafter und Mitglieder der Katholischen Arbeiterbewegung, die sich gegen den Angriff auf kirchliche Organe in unterschiedlichster Weise wehrten.

 

05.7.1933

Auflösungsbeschluß der Reichsleitung des Zentrums

Widerstand von Geistlichen in Mülheim an der Ruhr:

Nichtbeflaggung von Kirchen am Reichsgründungstag
Herausgabe einer Gottesdienstordnung
Begrüßung eines Kriegsgefangenen
Verweigerung des Hitlergrußes
Verweigerung der NSV-Sammlung

Einer von ihnen war Nikolaus Groß Sohn eines Zechenschmiedes aus Niederwenigern. 1917 trat Nikolaus Groß in den „Gewerkverein christlicher Bergarbeiter Deutschlands“ ein, mit 22 Jahren wurde er Jugendsekretär in der christlichen Bergarbeitergewerkschaft. 1927 wurde Groß Hilfsredakteur bei der Westdeutschen Arbeiterzeitung, dem Organ der Katholischen Arbeiter-Bewegung (KAB), und schon bald ihr Chefredakteur. In dieser Funktion bezeichnete er die Nationalsozialisten als „Todfeinde des heutigen Staates“ und schrieb am 14. September 1930: „Wir lehnen als katholische Arbeiter den Nationalsozialismus nicht nur aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, sondern entscheidend auch aus unserer religiösen und kulturellen Haltung entschieden und eindeutig ab.“ Ab 1940 wurde Groß mehrfach verhört und es fanden wiederholt Hausdurchsuchungen bei ihm statt. Nach dem fehlgeschlagenen Attentat gegen Hitler am 20. Juli 1944 wurde Groß verhaftet und, obwohl er nicht daran beteiligt war, am 15. Januar 1945 vom Volksgerichtshof unter dem Vorsitz Freislers zum Tode verurteilt. Freisler in seiner Urteilsbegründung: „Er schwamm mit im Verrat, muss folglich auch darin ertrinken!“ Am 23. Januar 1945 wurde Nikolaus Groß in Plötzensee ermordet. Die Nazis wollten keine Märtyrer – seine Leiche wurde verbrannt und die Asche über die Rieselfelder verstreut.

 

Auch in Mülheim leisteten Katholische Geistliche Widerstand, versteckt oder offen, zum Beispiel:

Kaplan Otto Henkel ( Styrum)
„Besonders aktiv war Kaplan Otto Henkel, der in der katholischen Kirche in Styrum tätig war. Er veranstaltete als Präses des katholischen Jungmännervereins 1935 einen öffentlichen Eltern- und Werbeabend, verteilte Flugblätter, und sprach sich in mehreren Predigten in Essen gegen den Führungsanspruch des Nationalsozialismus aus. Laut Zeugenaussage soll Kaplan Henkel illegal Jugendgruppen in einer Gartenlaube hinter der Mariä-Rosenkranz-Kirche geleitet haben, deren Mitgliedern er u. a. Werke der verbotenen Dichter und Denker nahegebracht haben soll. Ebenfalls wurden über die Kirche politisch Verfolgte materiell unterstützt und in seiner Kirche versteckt gehalten, bis er später versetzt wurde."

(aus einem Interview mit Jan Doetsch)

Pfarrer Augustin Floßdorf
wurde von der Gestapo wegen seiner festen Haltung zur katholischen Kirche verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert.
Nach der Befreiung 1945 kam er nach Mülheim an der Ruhr zurück. Er trat in das Zentrum und in die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) ein. 1946 wurde Pfarrer Floßdorf in den Landesvorstand der VVN gewählt. 1967 verstarb Augustin Floßdorf an den Leiden, die er sich im Konzentrationslager zugezogen hat.

Pfarrer Heinrich Küpper
Wegen angeblicher Beleidigung von Göbels wurde er 1935 zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. 1943 wurde er erneut von der Gestapo verhaftet und bis zur Befreiung, am 06. April 1945, in das Konzentrationslager Dachau inhaftiert.
Schwer erkrankt, verdacht auf Typhus, musste er sich in ärztliche BEhandlung begeben. 1955 wurde Heinrich Küpper der erste Pfarrer von St. Albertus Magnus in Mülheim an der Ruhr / Styrum. Am 21. Oktober 1955 starb er an den Folgen der Leiden die er sich im KZ Dachau zugezogen hatte.
(Auszug und Daten aus dem Pfarrbrief „Rosenkranzperle“, erschienen im Dezember 2000).

Weitere Mülheimer katholische Geistliche, die sich gegen die Nationalsozialisten stellten waren Pfarrer Heinrichsbauer (Altstadt. St. Mariae Geburt), der eine Hakenkreuzfahne nicht hisste, die Pfarrer Vinbruck (Styrum) und Berg (Broich), die Kapläne Hehrmann und van Groote (Eppinghofen, Engelbertuskirche) und der Kaplan Schlösser, der Manuskripte für Johann Doetsch in der Sakristei versteckte.


Vorige Seite: Evangelische Kirche und Widerstand
Nächste Seite: Jehovas Zeugen