Evangelische Kirche und Widerstand

Innerhalb der evangelischen Kirche, die neben ihren drei Bekenntnissen (Lutheraner, Calvinisten und Unierte) aus einer Vielzahl von Gruppierungen und Richtungen bestand, vollzog sich während des Nationalsozialismus eine tiefgreifende Spaltung.

Es bildeten sich:

  • die Glaubensbewegung der „Deutschen Christen“, die, 1932 gegründet, die Ziele des Nationalsozialismus vertrat und diese innerhalb der Kirche durchsetzen wollte. (Januar 1934: 2000 Geistliche);
  • die „Bekennende Kirche“, die Anfang 1934 aus dem Pfarrernotbund (initiiert von Martin Niemöller) hervorgegangen war, sich Ende Mai 1934 von den Auffassungen der Deutschen Christen abgrenzte und erbitterten Widerstand gegen den NS-Staat leistete. Etwa ein Drittel aller evangelischen Pfarrer gehörten der Bekennenden Kirche an (Januar 1934: 7036 Geistliche).
  • die übrigen Geistlichen konnten sich zu keiner der beiden Richtungen entschließen (Januar 1934: 9000 Geistliche)

Auf den Wahlsieg der Deutschen Christen bei den im Juli 1933 durchgeführten Kirchenwahlen folgten die Gleichschaltungsmaßnahmen innerhalb der Evangelischen Kirche (Arisierung, Einsetzung von Deutschen Christen als Bischöfe u.s.w.).

Amtseinführung des Reichsbischofs Müller als Führer der „Deutschen Christen“, der mit Hilfe der „Deutschen Christlichen Nationalkirche“ die evangelischen Gläubigen dem Nazismus gleichschalten wollte.

Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Katholiken holten,
habe ich nicht protestiert;
ich war ja kein Katholik.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr,
der protestieren konnte.

Martin Niemöller,
ehem. Kirchenpräsident von Hessen und Nassau,
1938-1945 in KZ-Haft

 
Furchtlos klagt Pastor Martin Niemöller das Terrorregime an. 1933 gründet er den Pfarrer-Notbund,
Basis für die Bekennende Kirche.
1937 wirft man ihn ins KZ, wo er bis 1945 Sondergefangener ist.

Als immer mehr Mitglieder der Bekennenden Kirche wegen Fürbitten, Sammlungen im Gottesdienst und Ähnlichem verfolgt wurden, wandte sich die Bekennende Kirche ab 1937 offen gegen den Nationalsozialismus. In Mülheim gab es zahlreiche Pfarrer, die der Bekenntnisfront angehörten und die sich gegen die offizielle Kirchenpolitik der Deutschen Christen zur Wehr setzten.

Pfarrer Ernst Barnstein (Altstadtgenmeinede)
Verfasser der Broschüre „Ein biblisches Wort zur Lage seit dem 2.12.1935“ (Ablehnung der offiziellen Kirchenpolitik). Diese Broschüre wurde in der Auflage von 500 Stück im Auftrag des Bruderrates in Mülheim gedruckt. Pfarrer Barnstein ist an der Durchführung von Konventen zur Schulung des theologischen Nachwuchses in der Rheinischen Bekenntnissynode beteiligt und Mitglied des Prüfungsausschusses. Am 1.2.1939 erfolgt eine Hausdurchsuchung und die Einlieferung in das Polizeigefängnis Oberhausen. Am 27.4.1940 wird das Verfahren eingestellt. 1942 Verlesung einiger Programmpunkte der Nationalen Reichskirche zum Zweck der Abschreckung.

Pfarrer Paul Th. Biermann (Styrum)
gab als Vorsitzender des Presbyteriums der Alstadener Kirchengemeinde Ende Juni 1937 eine Druckschrift ohne Angabe von Herausgeber und Druck heraus. Im März 1938 führt er eine Kollekte zur „Sammlung zur Förderung der Ausbildung der Kandidaten und Hilfsprediger der Bekennenden Kirche“ durch und verteilt die Druckschrift „Ein Vorgang und was dazu zu sagen ist“. Inhalt der Druckschrift: Pfarrer Martin Niemöller ist in den Ruhestand versetzt; eventuelle Trennung der Bekennenden Kirche von der Evangelischen Kirche; Veröffentlichung des Briefes eines inhaftierten Pfarrers. 1939 beaufsichtigt Pfarrer Paul Biermann illegale theologische Prüfungen der Bekennenden Kirche. Er hatte eine der beiden Vertrauensstellen des Büros Grüber inne (Beratung und Betreuung jüdischer Gemeindemitglieder). Unterstützt von Pfarrer Karl Falkenroth verhalf Paul Th. Biermann Christen jüdischer Herkunft zur Flucht.

Pfarrer Karl Falkenroth (Styrum)
1937: Bittgottesdienst in Styrum für in Schutzhaft genommene Pastoren. 1937: staatsfeindliche Äußerungen auf einer Versammlung der Bekennenden Kirche in Styrum.

Pfarrer Friedrich Schäfer (Heißen)
1935 Kanzelabkündigung in der Heißener Kirche zu Verhaftungswelle gegen Pastoren. „Staatsfeindliche Äußerungen“. 1938 Bittgottesdienst für Martin Niemöller.

Pfarrer Helmut Sch.
1938 „staatsfeindliche Äußerungen“ bei einem Vortrag. Gebet für Niemöller und andere.

Pfarrer Gotthilf Helmut Foerster (Dümpten)
wird 1934 aufgrund sog. staatsfeindlicher Äußerungen gegenüber einer NSV-Sammlerin nachts verprügelt und schwer verletzt. Am 17.3.1935, dem sogenannten Heldengedenktag verweigert er das Geläut. 1935 verweigert er die Unterschrift unter die Erklärung, die Kanzelankündigung der Bekenntnissynode (5.3.1935) „An die Gemeinden“ nicht zu verlesen. Er fordert seinerseits die Geistlichen Mülheims und Oberhausens auf, ebenfalls die Unterschrift zu verweigern. 1935: verfasste ein Rundschreiben zur Lage der Evangelischen Kirche 1939: Verstoß gegen das Sammlungsgesetz.