Die Pogromnacht in Mülheim

Zu Beginn der 30er Jahre zählte die jüdische Gemeinde in Mülheim ca. 600 Mitglieder und besaß eine große Synagoge am Viktoriaplatz auf dem Gelände der heutigen Stadtverwaltung/Medienhaus. Nach der Machtübernahme durch die Nazis in Mülheim wurden im März 1933 die ersten jüdischen Geschäftsleute genötigt, ihre Läden in zu räumen. Der alltägliche Druck auf jüdische Mitbürger in Schule, Vereinen, am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit wurde auch in Mülheim immer unerträglicher. Zwischen 1933 und 1936 emigrierten annähernd 300 jüdische Mülheimer ins Ausland. Ab 1936 mußten die ersten Mülheimer jüdischen Glaubens ihre Häuser zwangsverkaufen, meist unter Wert, vielfach an örtliche NS-Parteigänger. 

 

Reichsprogromnacht:

Zahlreiche Synagogen und jüdische Geschäfte wurden im gesamten Deutschen Reich angezündet und zerstört.

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Die jüdische Synagoge am Viktoriaplatz wurde bereits 1938 ohne große Öffentlichkeit von der Stadt/Sparkasse aufgekauft. Als die NSDAP in Mülheim nach einer „Weihestunde für die Gefallenen der Bewegung“ am 9.11.1938 zur sogenannten „Reichskristallnacht“ die Synagoge am Viktoriaplatz mit Hilfe der Feuerwehr anzündete, zerstörte sie unwissentlich quasi ein städtisches Gebäude.

In derselben Nacht wurden auch zahlreiche jüdische Geschäfte und Privatwohnungen überfallen und demoliert, die Bewohner misshandelt, 80 jüdische Mülheimer Bürger wurden verhaftet. Vier weitere starben zwischen 1938 und 1949 in Mülheim, zwei im Jahr 1938, je einer 1939 und 1940. Ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen in der Progromnacht und diesen Todesfällen ist zurzeit nicht zweifelsfrei nachweisbar.

Ab 1939 wurden die noch verbliebenen jüdischen Mitbürger in „Judenhäusern“ zusammengepfercht und von Oktober 1941 bis Juli 1942 in Konzentrationslager deportiert, in denen die Mehrzahl umgebracht wurde.

Zahlen können aufgrund unvollständiger Angaben nur geschätzt werden:

  • 300 jüdische Mitbürger emigrierten oder flüchteten
  • 290 wurden deportiert
  • 40 überlebten die Konzentrations- und Vernichtungslager
  • 63 entzogen sich der Demütigung und Vernichtung durch Freitop
  • 52 jüdische Schicksale blieben unbekannt
  • nach 1945 kehrten weniger als 130 jüdische Mitbürger in ihre Heimatstadt zurück

 

Sinti und Roma

Zu den rassisch Verfogten des Nazi-Regines gehören auch die Gruppen der Roma und Sinti, die als nicht Sesshafte verfolgt und ab 1943 in den Konzentrationslagern ermordet wurden. Die Zahl dieser Opfer liegt zwischen 100.000 und 500.000. Für Mülheim gibt es keine gesicherten Zahlen. Bekannt wurde die Deportation einer sechsköpfigen Familie, von der nur die Mutter, Rosa Frosch, das „Porajmos“ (in der Sprache der Roma „das Verschlingen“) überlebte.

„Ach, Freunde, wohin seid ihr verweht, wo seid ihr zertreten, in welche Gruben haben euch schutzlose Kinder die Würger verscharrt wie Dreck? Man zerrte sie fort in die Todeslager und die östlichen Schlachthäuser. Wir hörten die Kinder schreien und die Mütter schluchzen unter den Peitschen der braunen Henker. Noch bevor die Synagogen aufloderten, waren die Zigeunerfamilien hinter den Gittern des Stacheldrahtes zusammengepfercht, um später das jüdische Schicksal in den Todeslagern des Ostens zu teilen.“ (Otto Pankok in der Vorrede zu seinem Zyklus „Zigeuner“, 1948)